Kündigungstrauma und psychosoziale Folgen

Frau aus Vogelperspektive über dem Laptop am Schreibtisch mit Kopf an die Hänge gelehnt

Eine Kündigung ist wie eine Trennung, egal wie umsichtig sie vollzogen wird, für eine der beiden Seiten kann sie sehr schmerzhaft sein. Egal ob man bereits mit einer Kündigung gerechnet hat, oder ob sie ganz überraschend kommt, man kann sich nicht darauf vorbereiten. Es entstehen Gefühle wie Ärger oder Enttäuschung. Läuft eine Kündigung zudem auch noch ohne Wertschätzung, schnell und würdelos ab, können Traumata entstehen, die sich auf die weitere berufliche Laufbahn auswirken.

Welche Folgen eine Kündigung oder ein Jobverlust auf die persönliche berufliche Laufbahn haben und was Betroffene tun können, erfahren Sie in diesem Artikel.

Kündigung und Jobverlust

Eine Kündigung ist eine formelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer. Es gibt ordentliche (fristgerechte) und außerordentliche (fristlose) Kündigungen. Der Begriff „Jobverlust" ist allgemeiner und umfasst alle Gründe, warum jemand seine Arbeit verliert – dazu gehören Kündigungen, aber auch andere Ursachen wie Insolvenz des Unternehmens, betriebsbedingte Entlassungen oder auslaufende befristete Verträge. Kurz gesagt: Jede Kündigung führt zum Jobverlust, aber nicht jeder Jobverlust ist das Ergebnis einer Kündigung.

Folgen von Kündigung und Jobverlust

Firmen ringen um Fachkräfte und dennoch werden täglich Menschen gekündigt. Eine Kündigung oder ein plötzlicher Jobverlust können sich massiv auf das psychische Wohlbefinden auswirken und nachhaltig berufliche Entscheidungen beeinflussen. Laut internationaler Studien*1 wirkt sich bereits ein drohender Arbeitsverlust belastend auf die Psyche sowie das allgemeine Wohlbefinden aus. Gefühle wie Stress, Hilflosigkeit und Überforderung mit der Situation zeigen sich bereits, wenn man eine Kündigung ahnt, jedoch spätestens wenn man davon betroffen ist. Vor allem die Einschränkung von sozialen Kontakten, die fehlenden Tagesstrukturen, das Wegfallen der beruflichen Anerkennung sowie die finanzielle Sicherheit werden als besonders belastend empfunden.

Fakt ist: Der plötzliche Verlust des Arbeitsplatzes auf Grund einer Kündigung kann für Menschen gleich belastend sein, wie das Ende einer Partnerschaft, eine Scheidung oder der Verlust eines geliebten Menschen.

Studienergebnisse zeigen massive Folgen vom falschen Umgang mit Kündigungen.

2019 hat der Mediziner und Psychologe sowie Professor für Psychologie an der Universität Zürich, Andreas Maercker, eine Studie zum Thema Anpassungsstörungen mit zwei weiteren Kolleginnen veröffentlicht.2 Dabei forschten sie unter anderem auch zum Thema Diagnostik von Anpassungsstörungen nach unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust. Studienergebnisse zufolge leiden mehr als zwei Drittel der Menschen, die unfreiwillig ihren Arbeitsplatz verloren haben, unter starken Ängsten oder depressiven Verstimmungen. Diese negativen Emotionen können auch verstärkt werden, wenn es bereits vorab Probleme mit dem Selbstwert in Zusammenhang mit der Arbeitsleistung gegeben hat. 

Was ist eine Anpassungsstörung?

"Eine Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf ein einmaliges oder ein fortbestehendes belastendes Lebensereignis, die sich in negativen Veränderungen des Gemütszustandes oder auch in Störungen des Sozialverhaltens ausdrücken kann. Sie tritt auf, wenn Menschen einen neu eingetretenen schwierigen psychischen oder physischen Zustand über einen längeren Zeitraum hinaus nicht akzeptieren können bzw. sich an die neue Lebenssituation nicht adäquat anpassen können."3

Der Organisationspsychologe Charles Meyer4 hat die Effekte von Kündigungen wissenschaftlich untersucht und in seinem Buch: die faire Kündigung 2017 veröffentlicht. Zielgruppe waren gekündigte Manager.

Die Auswirkungen einer Kündigung auf die Psyche eines Menschen zeigen sich in Zuständen von Überraschung und dem Gefühl von Lebensbedrohung. Gegenwehr und Flucht sind nicht möglich, niemand ist da um Hilfe zu leisten und Betroffene fühlen sich komplett ausgeliefert.

In seinen Ergebnissen zeigten sich unter anderem folgende Symptome in Form eines Kündigungstraumas: Anhaltende Verwirrung, fragmentierte Erinnerung, anhaltender Energiemangel sowie körperliche Symptome des vegetativen Nervensystems (Probleme im Bereich Magen, Herz, Kreislauf, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen usw.)

Neben diesen Symptomen entwickelten sich auch psychosomatische und körperliche Erkrankungen bei den Betroffenen, die sich langfristig manifestierten.4

Eine Kündigung kann das Gefühl auslösen, keine Kontrolle mehr über das eigene Leben zu haben. Man fühlt sich machtlos, das führt zu erhöhten Stress und Ängsten. Insbesondere der Verlust des Einkommens kann starke Sorgen um die finanzielle Zukunft auslösen. Hinzu kommt, dass sich viele Menschen über ihre Arbeit definieren. Eine Kündigung kann zu Selbstzweifeln, Scham und einem Gefühl des Versagens führen. Oft koppelt sich dieser wahrgenommene Identitätsverlust an Existenzängste und es wird zwischen eigener Identität und finanzieller Existenz nicht mehr unterschieden. Konkret kommen auch Menschen mit Existenzängsten zur psychosozialen Beratung, die sich aber in einer sehr guten finanziellen Lage befinden und eine vollumfängliche finanzielle Absicherung gewährleistet ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wegfall des sozialen Umfelds am Arbeitsplatz. Laut Charles Meyer kann diese spontane Ausgrenzung der Betroffenen aus dem System, ohne Anerkennung und Wertschätzung für die geleistete Arbeit sowie der teils fehlende Abschied schwere Trennungsschmerzen auslösen.3 Das kann zu Einsamkeit führen. Im schlimmsten Fall führen besonders belastende Ereignisse wie Jobverlust auf Grund von Mobbing oder eine ungerechtfertigte Entlassung zu posttraumatischen Beschwerden, die sich in Form von Schlafstörungen, Flashbacks (ein intensives wieder erleben des Ereignisses) oder in Angstzuständen äußern können.


Umgang mit Kündigungstraumen:

Nachdem Kündigung und Jobverlust mit Scham besetzt sind, fällt es Betroffenen oft sehr schwer, im persönlichen Umfeld darüber zu sprechen. Externe Unterstützung kann deshalb ein sehr wichtiger Baustein bei einer emotionalen Verarbeitung einer Kündigung sein.

Krisenintervention, wenn eine Kündigung plötzlich kommt:

  1. In der Krise nach der Kündigung erstmal erholen. Tausend Gedanken schießen durch den Kopf. Selbstzweifel, Erklärungsversuche, Schock und Horror-Szenarien gehen durch den Kopf. Was, wenn ich keinen Job mehr bekomme, mein Ruf geschädigt ist, rechtliche Aspekte nicht beachtet wurden…!?
    Noch ein Hinweis: Kündigungen unterliegen neben den psychosozialen Faktoren auch einem rechtlichen Rahmen. Prüfen Sie deshalb auch rechtliche Aspekte und wenden Sie sich im Bedarfsfall an eine entsprechende Arbeitsrechtberatung.
  2. Klarheit schaffen. Sprechen Sie ggf. mit einer Rechtsberatung, holen Sie sich externe Unterstützung. Sortieren Sie Ihre Gefühle, Ängste und Sorgen, nehmen Sie sich Zeit und schaffen Sie Klarheit.


Folgende Interventionen können Betroffenen helfen:

  • Organisieren Sie Struktur im Alltag. Feste Routinen helfen dabei, Stabilität zu bewahren.
  • Eine professionelle Begleitung hinsichtlich Selbstwert, persönlichen Stärken und Trennung von Kündigung und Person (Persönlichkeit)
  • Das Zulassen von Gefühlen wie Angst, Hilflosigkeit, Trauer oder Scham. Intensive Gefühle sind normale Begleiterscheinungen von Jobverlust durch Kündigung
  • Neuausrichtung und Chancen wahrnehmen hinsichtlich Weiterbildung, Bewerbungen und Reflexion über neue Karrierewege

Nicht jede Kündigung ist traumatisch, aber für viele Menschen kann sie eine starke psychische Belastung darstellen. Die richtige Bewältigung ist entscheidend, um langfristige negative Folgen zu vermeiden.


Autorin: Sabine Hölzl



Quellen: 

1 https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-21659-7_13 (14.03.2025)

2 Lorenz, Louisa; Makowski, Lisa; Maercker, Andreas (2019). Diagnostik und Risikofaktoren der ICD-11 Anpassungsstörung. Trauma & Gewalt, 13(01):6-18.

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/anpassungsstoerungen/ (14.03.2025)

4 Charles Meyer: Die faire Kündigung: Wie sie gestaltet werden kann, ohne Unheil anzurichten, Oktober 2017

LGBT+ und die Kontroverse um die Moralverschiebung...
Selbstfindung – Lebens- und Sozialberatung begleit...
 

Kommentare

Derzeit gibt es keine Kommentare. Schreibe den ersten Kommentar!
Sonntag, 15. Juni 2025

Kontakt

ÖVLSB

Österreichischer Verband der Lebens- und SozialberaterInnen

Büroanschrift:
Redtenbachergasse 73/9
1160 Wien

+43 660 952 46 58

office@övlsb.at

office@oevlsb.at

Kontaktformular

Bankverbindung:
IBAN: AT57 2011 1843 7492 0100
Kontoinhaber: OEVLSB Oesterreichische Vereinigung der Lebens- und SozialberaterInnen

 

Offenes Ohr

Impressum und Datenschutz

Unser Impressum finden Sie hier.
Unsere Informationen zum Thema Datenschutz finden Sie hier.

OVLSB Logo weiss transp1